Review: Julian Lennon - Photograph Smile

Julian Lennons Leben begann unter keinem guten Stern. Sein Vater John feierte gerade mit seiner Band die ersten großen Erfolge, als seine Freundin Cynthia Powell ihm eröffnete, ein Kind von ihm zu erwarten. Aus Pflichtbewusstsein heirateten die beiden, Manager Brian Epstein organisierte eine kleine Feier und stellte eine Wohnung zur Verfügung - mit der Bedingung, dass die Ehe nach außen  geheim gehalten werden müsse. Der gemeinsame Sohn kam im April 1963 zur Welt und wurde Julian getauft, als Erinnerung an Johns verstorbene Mutter Julia.

Mit fünf Jahren verließ Vater John Frau und Kind, nachdem er schon in den Jahren zuvor mehr auf Tour und im Studio war, als zuhause. Ironischerweise wurde dieser John selbst in Kindertagen vom Vater verlassen, ein Trauma das ihn bis zum Tod verfolgte. Julian wuchs jedenfalls bei Mutter Cynthia in recht ärmlichen Verhältnissen auf und knüpfte erst wieder als Teenager Kontakt zum berühmten Vater, kurz vor dessen Ermordung. Hier durfte er dann mit Stiefmutter Yoko und Halbbruder Sean etwas Familie spielen.

 

Das Risiko war groß, als Julian entschied, als junger Erwachsener selbst Musiker zu werden. Die Vergleiche mit den Vater begannen natürlich sofort, auch wenn "Too late for goodbyes" dank VH1 zum Hit wurde und der Beatles-Spross auf recht großem Fuß leben konnte. Welttourneen und einfache Popmusik, die bloß nicht mit den Arbeiten des Vaters verglichen werden sollte, prägten die ersten Jahre der Karriere, die schließlich Anfang der 90er im Drogenrausch endete. 

 

1998 kam dann mit "Photograph Smile" ein weiteres Album raus, dessen Cover ein Kinderfoto ziert, eine Verarbeitung der traumatischen Erlebnisse also? Die Trackliste deutet darauf hin, "Cold", "I don't wanna know" oder "Crucified" klingen nicht gerade nach Party-Popsongs. Tatsächlich scheut Lennon nicht mehr den Vergleich mit Vater John und schafft es somit, endlich einen eigenen Sound zu finden. Das größtenteils akustisch instrumentierte Album wird von Julians charaktervollen Stimme getragen, die Erinnerungen an den Vater weckt, aber nicht wie eine Kopie klingt. Das Songwriting erinnert streckenweise sogar mehr an McCartney als Lennon -  kein Wunder, war Paul doch zu Beatles Zeiten die größere Vaterfigur für den Kleinen und schrieb mit "Hey Jude" sogar einen Song für ihn, als John Lennon die Familie verließ.

 

Der Opener "Day after day" bereits scheint den Tod des Vaters zu thematisieren - jedoch ist nicht John Lennon, sondern der in den 90ers verstorbene spätere Ehemann von Mutter Cynthia Lennon gemeint.  Musikalisch klingt das Album tatsächlich nach Beatles, oder, um in den 90ern zu bleiben, Bands wie Oasis.

"And she cries" beginnt mit einer nach George Harrison klingenden Slide-Gitarre, "Crucified" mit seinen orientalischen Streichern könnte dem White Album entsprungen sein, und "Good to be lonely" (mein Lieblingssong des Albums) enthält viel Wahrheit, wenn es heißt "It's good to be lonely sometimes, at least I'm prepared for the fall - and it's better than nothing at all".

 

Dieses Album gehört zu den vielen (zu Unrecht übersehenen) Platten, die man nicht mal nebenbei hören sollte. Lieber in einer ruhigen Minute, vielleicht gerade wenn man nicht so gut drauf ist. Und - mal auf die Texte achten, die sind auch weit entfernt vom Klischee.