Review: George Harrison - All things must pass

 

George Harrison war zu Zeiten der Fab Four immer als der "stille Beatle" bekannt. Der Gitarrist, der sich seit Mitte der 60er stark für fernöstliche Klänge, Transzendentale Meditation und die Lehren des Hinduismus interessierte, hatte für viele Fans etwas Unnahbares und Mysteriöses, obwohl er von Natur aus mit einem sehr bodenständigen Humor gesegnet war. 

 

Von den übermächtigen Songwritern Lennon und McCartney gerne in die Ecke gedrängt, sammelten sich in Harrisons Schublade gegen Ende der 60er Dutzende Kompositionen, die es nicht auf die Beatles-Alben geschafft hatten. Einige davon gab er an Interpreten weiter, die er auf dem bandeigenen Label Apple Records produzierte (Jackie Lomax z.b. bekam "Sour Milk Sea", einen Song der auf der Reise nach Indien entstand), die meisten aber landeten auf Harrisons erstem Soloalbum "All things must pass", das 1970 erschien. Wie groß die Songausbeute war, zeigte die Tatsache, dass es sich um eine dreifach (!) LP handelte, damals wie heute rekordverdächtig.

 

Harrisons recht dünne aber charismatische Gesangsstimme wird von einem gewaltigen Instrumentarium getragen, da die Produktion von Phil Spector übernommen wurde, jener Recording-Legende, die sich durch die "Wall of Sound" einen Namen gemacht hatte und schon die Bruchstücke der "Get back" Sessions zum letzten erschienenen Beatles-Album "Let it be" zusammenbastelte. Dementsprechend opulent fallen die Arrangements aus, mehrere Schlagzeuger, Bassisten und natürlich Gitarristen, Keyboarder und Bläser erzeugen einen gewaltigen Klang, der die Lautsprecher erschüttert.

 

Die Texte sind Harrison-typisch ironisch und düster gehalten, "The art of dying", "All things must pass" oder "Isn`t it a pity" befassen sich mit der vergänglichen Seite des Lebens und der Liebe, weise Worte aus der Feder eines damals 27 jährigen.

Auch mit der Beatles-Zeit wird abgerechnet: In "Wah-wah" (benannt nach dem Gitarreneffekt, gespielt von Busenfreund Eric Clapton) lässt Harrison seinen ganzen Frust über seine "Nebenrolle" im Bandgeschehen raus, "Apple Scruffs" dagegen ist eine kleine akustische Hymne für die treuen Fans, die vor den Apple-Studios auf die Band warteten.

 

"My sweet lord" ist der wohl berühmteste Song des Albums, nicht zuletzt dank des Plagiats-Prozesses, da der Song wohl etwas zu sehr mit "He's so fine" von den Chiffons übereinstimmt. Nichts desto trotz schaffte das Lied es in die Liste der 500 größten Rocksongs aller Zeiten. Kurz vor seinem Tod nahm Harrison eine neue Version des Songs auf, von Krankheit gezeichnet. 

 

Bob Dylans Song "If not for you" ist die einzige Coverversion auf dem Album, lässt man die dritte LP außen vor. Hier finden sich Jam-Sessions von teilweise ausufernder Länge, mit so illustren Musikern wie Eric Clapton, Billy Preston, Ginger Baker oder Jim Gordon. "It's Johnny`s Birthday" z.b. basiert auf Cliff Richards "Congratulations" und entstand anlässlich John Lennons 31. Geburtstag - Harrison und Lennon verband auch nach Trennung der Beatles eine enge Freundschaft.

 

Bedauerlich ist, dass das gesamte Album in einem Meer von Hall und Echo verschwimmt - damals Phil Spectors Markenzeichen, von Harrison selbst aber schnell bereut, da hier viel Dynamik und etliche musikalische Details auf der Strecke bleiben, der Sound ist insgesamt recht aggressiv, was nicht allen Songs gut steht. Bleibt noch ein Wort zum Albumcover: Der langhaarige, bärtige Waldschrat in mitten von Gartenzwergen ist tatsächlich der ehemalige "Pilzkopf" George Harrison, dessen größtes Hobby die Gärtnerei war. Die Fans ließen sich von dem Anblick allerdings nicht abschrecken, das Album landete auf Platz 1 und bewies, dass sich der "stille Beatle" nicht hinter seinen ehemaligen Kollegen verstecken musste.